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Schreibe, was du siehst

Seitenwind Woche 3 des Papyrus Autor Gewinnspiel

Bild von Bananayota auf Pixabay.com
Bild von Bananayota auf Pixabay.com

Anregung für Woche 3

Diese Woche schreiben wir vom Leben ab. Wenn ein Stück Prosa leblos wirkt, die Figuren wie ausgeschnitten und die Sprache wie abgeschrieben, kann das daran liegen, dass der Autor nicht schreibt, was er wahrnimmt, sondern was er erwartet. Die meisten Leute würden zustimmen, wenn ich behaupte, der Himmel sei blau. Und dann vielleicht den Kopf in den Nacken legen und feststellen, dass er gerade die Farbe von Grapefruitsaft oder frischem Zement hat. Genauso ist das mit Figuren. Setz dich diese Woche in eine Kneipe oder einen Park, geh zum Elternsprechtag, auf eine Demo oder den runden Geburtstag deiner Oma und schau dir die Leute an. Was sie tragen, was sie tun, wie sie sprechen und wie sie sich bewegen. Such dir eine Person aus und beschreibe die so, dass deine Leser hinter wenigen Sätzen ein ganzes Leben erahnen.

Mein Beitrag: Aus fünf Metern Entfernung

Ich stand auf dem Balkon des Vereinsheims und blickte über den mit Bänken und Tischen übersäten Hof, auf dem sich allerlei Menschen tummelten. Dazwischen die Jungs die das Geschirr abräumten und die Bedienungen, die Getränke und Essen herbeibrachten. Eine Verschnaufpause tat echt gut, nach dem riesigen Ansturm, auf unser Kuchenbuffet. Alle plauderten, lachten und tranken genussvoll. Doch nur ein Tisch, zog wie ein schwarzes Loch, nach meiner Aufmerksamkeit und ich konnte den Blick nicht mehr abwenden.

Dort saß Jonathan, zu mir gewandt und ihm gegenüber sein Vater, der mit all seinen Gliedmaßen, etwas Aufregendes zu erzählen versuchte. Doch irgendetwas war an diesem Bild falsch, denn tief in mir drin schmerzte es, als ich in Jonathans Augen sah.

 

Er saß vorbildlich, mit den Händen im Schoß versteckt, in seinem weißen leicht ausgewaschenen Hoodie, vor seinem Vater und hörte ihm augenscheinlich, aufmerksam zu. Doch wieso stimmte mich dieses Bild so traurig? Womöglich lag es an seinem leicht nach unten geneigtem Kopf, den einzelnen dunklen Strähnchen seines Deckhaares, die ihm über die Stirn fielen und dadurch meinen Blick auf seine walnussbraunen Augen lenkten.

 

So leblos und starr, ohne jegliches Leuchten oder den Hauch eines Glanzes. Sie wirkten trüb und verbraucht, leichte Augenränder rahmten diesen trostlosen Ausdruck, in ein düsteres Bild. Selbst das lauthalse Lachen seines Vaters, entlockte ihm weder eine Regung in seinen Brauen, noch seinen Lippen. Selbst das kleine flüchtige Zucken seiner Mundwinkel, wirkte aufgesetzt und verlangte ihm wohl alles ab, da man es kaum wahrnahm, so schnell war der Augenblick auch schon wieder verflogen. Wenn sein Vater ihn mit einbezog, in dem er ihn etwas fragte, gab es eine reglose Geste durch Kopfnicken oder ein, durch dünne schmale Lippen, gepresstes „Ja“ oder „Nein“. Er wirkte steif, schon fast erstarrt und blickte nur hin und wieder, zwischen dem abgenutzten Tisch und seinem Vater hin und her.

 

Es schmerzte mich mit anzusehen, wie dieser Junge von nicht mal sechzehn Jahren, sich in seinem Hier und Jetzt, so teilnahmslos auslieferte und es scheinbar nicht einmal sein direkter, Gegenüber bemerkte. War ich etwa die Einzigste die sehen konnte, wie er innerlich zerbrach und dass selbst, aus einer Höhe von knapp fünf Metern Entfernung!? Was nur, ist diesem Jungen widerfahren, dass er eine Maske aufsetzt, die ihn vor jedweder Gefühlsregung abschirmt?

 

 

„Gibt es hier, den leckeren Kuchen?“, ertönte es von drinnen, woraufhin ich den Rest meiner Zigarette ausdrückte und auf dem Weg zur Tür antwortete „Ich komme schon, einen Moment bitte.“

Es stimmt mich immer noch trübselig, wenn ich an diesen Moment zurückdenke. Ein Moment, der mir so deutlich im Gedächtnis geblieben ist, dass es mir in der Seele wehtut, nichts tun zu können. Denn ja, dies ist keine ausgedachte Szene. Dies ist ein Moment, der mir so wirklich widerfahren ist und es ist unbeschreiblich traurig, wenn ich an diesen kalten ausdruckslosen Blick dieses Jungen zurückdenke.

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